Würde nicht der Lieferwagen der Oedipus Brewery vor der Brauerei-Lagerhalle parken, könnte man glatt meinen, man hätte sich im Gewerbegebiet des Amsterdamer Nordens verirrt. Als wir näher kommen, entziffern wir über dem großen Hallentor: „Oedipus Brewery“ – schnörkellose schwarze Buchstaben auf weißem Grund. Wir öffnen eine fast unsichtbare Tür neben dem geschlossenen Hallentor, treten ein … und dann macht es „BUMM!“ Was sich uns hier bietet, haben wir bisher in keiner anderen Brauerei in Amsterdam gesehen.

Oedipus Schankraum Pflanzen

Farben und Pflanzen überall – der Oedipus-Schankraum

Oedipus Brauerei von innen: Ein Regenbogen ist ein Witz dagegen

„WOW“ ist das erste, was Jens und ich wie synchronisiert hauchen. Was da gerade explodiert ist, sind die Farbrezeptoren unserer Augen, denn in dieser von außen so schlichten Halle wird man sofort von einem Farbreigen umtanzt: Eine riesige Wand des Taprooms ist geschmückt mit intensiven Farben und Mustern, die einerseits an naive Malereien von Kindern erinnern, andererseits so perfekt arrangiert sind, dass man sich darin verlieren möchte. An der Wand über der Sperrholztheke thront würdevoll eine riesige, pinke Sau.

Jede der aufgereihten Flaschen der Oedipus Biere strahlt uns mit einem grellen Etikett freundlich an und brennt darauf, uns seine eigene, bunte Geschichte zu erzählen. Sogar die Zapfhähne, die direkt aus der Wand hinter der Theme hervorluken, sind wild gemustert … Das Motto der Oedipus-Brauerei, „Taste colours!“, scheint hier wirklich in jeder Faser zu stecken. Jetzt freuen wir uns gleich doppelt auf ein Bier, denn ein Getränk, das auf so liebevoll-experimentelle Weise präsentiert wird, muss der absolute Hammer sein!

Oedipus Theke Pinke Sau

Pinke Sau über der Theke

Video über die Oedipus Brewery

Einen ersten Eindruck aus dem Inneren der Brauerei und der großartigen Atmosphäre soll euch dieses Video vermitteln, das Jens während unseres Besuchs gedreht hat:

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Freundliches Bier, freundliche Menschen

Wir sind mit Bart verabredet, der sich bereit erklärt hat, uns die Oedipus Brewery zu zeigen und uns alles darüber und natürlich die Biere zu erzählen. Doch zuerst lernen wir Noel kennen, die uns absolut liebenswürdig empfängt und uns zur Begrüßung direkt mal die perfekten Biere einschenkt: Ich erzähle von meiner Vorliebe für hopfen-betonte Biere und bekomme das Paìs Tropical, Jens, der Lust auf ein IPA hat, freut sich über ein Glas Hosanna. Wir fühlen uns sofort zuhause und pflanzen uns auf die Barhocker vor der Theke.

Oedipus Theke Zapfhähne

Freundlicher Empfang: Noel aus Köln und bunte Zapfhähne

Da uns natürlich nicht nur das Bier, sondern auch die Menschen hinter Oedipus interessieren, nutze ich die Gelegenheit, um Noel auszuquetschen. Die Kölnerin hat Kunst in Amsterdam studiert und ist nach ihrem Abschluss einfach da geblieben. Wir haben Glück, Noel überhaupt zu treffen, denn es ist ihr offiziell letzter Tag hinterm Tresen, wo sie schon zu Studienzeiten gearbeitet hat. Jetzt freut sie sich aber auf ganz andere Aufgaben bei Oedipus, denn sie wird künftig das Marketing unterstützen und Content produzieren. Dass sie mit ihrem kreativen Background perfekt dafür geeinet ist, ist offensichtlich. Dass sie außerdem mit Oedipus und der Philosophie dahinter schon längst verwachsen ist, wird schlagartig klar, als sie uns stolz erzählt, woher das Pflanzenkonzept im Taproom stammt: Die vielen wunderschönen Pflanzen, die überall von der Decke hängen, hat Noel zusammen mit Hortus Botanicus, dem Botanischen Garten von Amsterdam, ausgesucht und arrangiert.

Dann steht Bart vor uns, begrüßt uns superherzlich und entschuldigt sich direkt für seine Verspätung, die wir vor lauter Wohlfühlerei überhaupt nicht bemerkt haben. Er erzählt, dass die Anfahrt zur Brauerei schon mal ein bisschen länger dauert, wenn man aus der Amsterdamer Innenstadt kommt. Tatsächlich lässt sich die Strecke nicht mal eben so zu Fuß zurücklegen, aber mit einem der Busse, die vom Bahnhof aus in den Amsterdamer Norden fahren, oder per Fahrrad und kostenloser Fähre sollte die Strecke für keinen Bierfan zu weit sein, finden wir.

Die Oedipus-Biere: für jede, jeden und alle

Wir erfahren, dass die Oedipus-Crew schon immer ein Faible für saure Biere hatte. Ihr meistverkauftes Bier war bislang das allererste Bier der Brauerei – das Mannenliefde. Dieses schmackhafte Bier mit Lemon Gras, Szechuan Pfeffer und fruchtigem Sorachi Ace Hopfen steht nicht nur mit seinem Geschmack, sondern auch mit seiner Aufmachung für alles, was Oedipus möchte: Bier für alle machen. Und so ziert das rosafarbene Etikett eine rasierte Männerbrust und das schöne Wort Männerliebe (= Mannenliefde).

Damit will die Crew gegen die stereotypen Vorstellungen angehen, die mit Bier und seinen Konsumenten verbunden sind: Während Brauerei-Konzerne gerne das Bild des biertrinkenden Machos kultivieren und so Bier als reines Männer-Getränk bewerben, adressiert Oedipus eine viel größere Zielgruppe: eine, die jede, jeden und einfach alle umfasst. Ein anti-gender Getränk. Dazu passt auch Barts Kurzbeschreibung von Oedipus: „Offen, kreativ und voller Geschmack“.

Oedipus Biere Flaschen Theke

Biere für jedermann und jedefrau

„Seit ungefähr zwei Monaten hat übrigens das Thai Thai unseren ursprünglichen Bestseller Mannenliefde überholt“, verrät Bart und lässt uns das exotisch anmutende Tripel probieren, das köstlich nach Gewürzen wie Koriander, Chili, Ingwer und Orangenschale schmeckt. Doch dann kommen wir auf ein ganz neues Bier zu sprechen, dessen Name an diesem Nachmittag ganz besonders häufig fällt: Polyamorie.

Barts absolutes Lieblingsbier?
„Bisher war mein all-time favorite das Dodo, doch neuerdings ist es Polyamorie.“

Das speziellste Bier von Oedipus?
„Ganz klar das Polyamorie, weil es ein Hybrid aus einem sauren Bier und einem Pale Ale ist.“

Und das ideale Bier für ein erstes Date?
„Das Polyamorie, weil es einfach jeder lieben wird. So werden z. B. auch Frauen, die normalerweise statt auf Bier eher auf Wein stehen, das Saure, Erfrischende an Polyamorie mögen. Und es ist auch das perfekte First-Date-Bier, weil man sich noch sehr lange daran erinnern wird.“

Und ahnt ihr schon, was seit diesem besonderen Tag auch mein neues Lieblingsbier ist? Tatsächlich Polyamorie! Ich liebe einfach diesen frisch-sauren Grapefruit-Geschmack und freue mich jetzt schon drauf, meinen neuen Liebling im Sommer auf dem Balkon zu trinken. Hier findet ihr Jens‘ ausführliche Bewertung von Polyamorie.

Oedipus Biertafel Flaschenbiere

Nur ein kleiner Ausschnitt aus der Oedipus-Braupalette

Oedipus wird betrieben von wilden Kindern

Die vier Gründungsmitglieder waren schon jahrelang befreundet, bevor es mit Oedipus losging. „Was die vier verbindet, ist ihre Liebe zum Bier, zum Bier-miteinander-Trinken und ihre Liebe zueinander“, erzählt uns Bart. Doch bevor sie ihre tiefe Freundschaft im Namen ihres ersten Biers Mannenliefde verewigen konnten, musste natürlich zuerst gebraut werden. Und wie bei den meisten Craft Beer Breweries begann auch bei Oedipus alles mit ein paar Brauexperimenten in der heimischen Küche. Das Motto dabei war, „mehr als nur Bier“ zu machen und viel mehr „eine Erfahrung“ zu kreieren. „Bei Oedipus sehen wir uns als Kinder, die unvoreingenommen alles ausprobieren und alles in den Mund stecken“, lacht Bart. Das erklärt die wirklich abgefahrene Kombination an Geschmäckern, die es in jedem einzelnen Oedipus-Bier zu entdecken gibt. Und die geschmacksexplosionsartige Erfahrung Schluck für Schluck.

Dass bei solch einer experimentierfreudigen Herangehensweise auch schon mal „Unfälle“ passieren, bleibt wohl nicht aus. Das braune Gose Thanks David sollte eigentlich gar nicht braun werden. Doch nach einem Brauexperiment mit David von der norwegischen Brauerei Lervig waren Reste von dunklem Malz in der Mühle zurückgeblieben – der das neue Gose überraschend dunkel färbte. Spontan wurde beschlossen, dass dies das erste braune Gose von Oedipus werden sollte. Da man diesen Zufall dem gemeinsamen Brauen mit David verdankte, war der Name des Biers schnell gefunden.

Oedipus Bierglas Theke

Mit allen Sinnen genießen: ein frisch gezapftes Oedipus

Wer arbeitet bei Oedipus?

In Barts E-Mail-Signatur steht, dass er „Smaakmaker“ (= Geschmacksmacher) ist. „Ich bin dafür verantwortlich, wie unsere Kunden unsere Marke und unsere Brauerei wahrnehmen“, erzählt er. „Ich durfte mir selbst einen Titel für meine Signatur zulegen und da fand ich ‚Smaakmaker‘ einfach passend.“ Bart ist übrigens auch schon lange mit den vier Gründern befreundet, sie arbeiteten damals gemeinsam in der Amsterdamer Bierszene (sprich: in beliebten Kneipen wie Beer Temple oder In De Wildeman).

Neben 10 Studenten, die sich in Teilzeit an 5 Tagen in der Woche den Thekendienst aufteilen, gibt es bei Oedipus mehrere Braumeister, Kollegen im Marketing und im Office und natürlich Kollegen, die fürs Ausliefern verantwortlich sind.

„There’s more to live than just beer!“

Unter dem Motto „Im Leben gibt’s noch mehr als Bier“ möchte die Oedipus-Crew ihren Gästen eine umfassende und unvergessliche Erfahrung bieten. Dazu gehört für sie ganz selbstverständlich, dass sie ihr Bier mit Kunst, Musik und Essen kombinieren. So finden im Taproom regelmäßig Konzerte und Partys statt, die Gäste aus ganz Amsterdam anlocken. Und immer häufiger werden auch Beer Tastings inklusive Food Pairings wie Käse, Fisch und Schokolade angeboten.

Oedipus Schankraum Boxen

Mehr im Leben als Bier: fast jedes Wochenende ein anderes Event und Tischtennis geht ja immer!

Übrigens: Der Treber, der im Laufe des Brauprozesses aus der Maische herausgefiltert wird, wird normalerweise an Landwirte als Viehfutter verkauft. Doch ein paar niederländische Studenten kamen auf die Idee, mit dem Oedipus-Treber Brot zu backen. „Dieses Brot können demnächst auch unsere Gäste hier im Taproom essen“, freut sich Bart. „Außerdem werden es auch bald die Jungs von The Beef Chief nebenan für ihre Burger verwenden, die ja auch hier bei uns serviert werden.“

Oedipus Treber

Bart, ich und ein Beutel Treber

Wir lassen unseren Besuch bei Oedipus mit einem letzten Bierchen an der Bar ausklingen und lassen uns von der freundlichen, bunten, sprühenden Atmosphäre und der Wuselei um uns herum tragen. Im Hintergrund wird gerade die Tischtennisplatte zusammen geklappt und die Band, die heute abend bei der Veranstaltung Brasil in the Brewery spielt, baut vorfreudig ihr Equipment auf. Es stimmt wirklich: Hier bekommt man mehr als „nur“ Bier geboten.

Video vom Music & Beer Festival Planet Oedipus 2017

Im folgenden Video von Planet Oedipus im August 2017 seht ihr, dass Oedipus Brewing auch hervorragende Bier-Festivals organisiert:

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Basic Facts über Oedipus

Die Oedipus Brauerei ist Teil einer erfreulich großen Bierszene in Amsterdam, zu der z. B. auch die Brauerei’t IJ im Osten der Stadt und die Brauerei De Prael im Rotlichtviertel zählen. Exportiert werden die Oedipus Erzeugnisse natürlich auch, sogar in über 10 Länder, darunter Italien und Spanien.

Oedipus Gast Theke

Einfach nur hingerissen

Wie gefallen euch die Oedipus Brauerei und das Motto „Taste Colours!“?

Wenn ihr bis hier gelesen habt, heißt das wohl, dass ihr das Konzept der Brauerei und die Ideen dahinter genau so faszinierend findet wie wir 🙂 Wie gefällt euch dieser kreative und experimentierfreudige Ansatz? Und welches Bier von Oedipus wollt ihr am liebsten sofort probieren? Oder kennt ihr Mannenliefde, Thai Thai & Co schon und wollt uns ein paar Geschmackseindrücke hinterlassen? Wir freuen uns über euren Kommentar!